Experiment

Warum Stoßphysik?

Streuen

Der wichtigste Grund, Stoßphysik zu betreiben, ist selbstverständlich, daß es Spaß macht.

Es gibt natürlich auch noch wissenschaftliche Gründe:
Atomare, molekulare Stöße und ähnliche kurzzeitige Prozesse bestimmen die Dynamik unserer Umwelt. Zum Beispiel befinden sich in einem Kubikzentimeter Luft etwa 3*1019 Moleküle (ausgeschrieben für Laien: 30 000 000 000 000 000 000). Ein einzelnes davon stößt allein in einer Sekunde mit 7 Milliarden anderen Molekülen zusammen, woran auch zu erkennen ist, daß eine Sekunde für ein Molekül bereits eine sehr lange Zeit ist, aber es altert ja auch nicht. Trotzdem hat niemand zuvor jemals im Sinne eines Photos Atome oder Moleküle während eines Stoßes wirklich gesehen.

Ein detailliertes Verständnis der uns umgebenden Atmosphäre setzt ein Verständnis der Stöße als Elementarprozesse voraus.
Stoßprozesse sind allgegenwätig - chemische Reaktionen sind ebenfalls komplizierte Stoßprozesse, Eigenschaften von Plasmen in Sternatmosphären oder in galakischen Gaswolken oder auch bei Fusionsreaktionen werden bestimmt durch Stoßprozesse. Stöße sind auch Grundlage der Entstehung von Atomen, Molekülen, Clustern und Festkörpern.
Letztlich ist auch das Leben Resultat sehr vieler Stoßprozesse (o:

Zwar kennt die theoretische Physik lange das Grundprinzip dieser Vorgänge (hauptsächlich die Quantenmechanik), tatsächlich sind aber viele Prozesse derart kompliziert, daß auch die leistungsfähigsten Computer nicht ausreichen, sie korrekt zu berechnen.
Deshalb ist es notwendig, sich diese Dinge experimentell so genau anzusehen, daß man ihren Ablauf direkt verfolgen und damit praktisch begreifen kann!

Warum ist die Beobachtung schwierig?

Atomi

Atomare Stöße - zwei Atome treffen aufeinander - dauern gemessen an typischen menschliche Erfahrungen extrem kurze Zeit.
Atome um uns herum haben eine Geschwindigkeit von etwa 1000 m/s (= 3600 km/h !). Der Abstand zwischen den Atomen während des Stoßes ist kleiner als 10-9m, also 0.000001 mm.

Somit dauert ein typischer Stoß nur 10-12 Sekunden also 0.000000000001s. Der Stoß ist also mehr als nur blitzschnell, das wäre stark untertrieben - tatsächlich ist er noch etwa 5 Millionen mal kürzer als ein Blitz.

Warum ein optischer Stoß?

Quantenmechanik

Eine Methode zur Untersuchung von Stoßprozessen ist das herkömmliche Streuexperiment. Bei einem idealen Experiment dieses Types werden die Stoßpartner vor dem Stoß eindeutig in einem einzigen Zustand präpariert und nach dem Stoß zustandsselektiv nachgewiesen.

Die Präparation vor dem Stoß und die Analyse danach liefert allerdings nur indirekte Informationen über den eigentlichen Gegenstand der Untersuchung: Den Stoßprozeß. Die Meßergebnisse müssen somit erst aufwendig analysiert werden, um so auf indirektem Wege Informationen über den Stoß zu gewinnen.

Die Spektroskopie ist ein weiteres sehr erfolgreiches Werkzeug zur Erforschung des Aufbaus und der Wechselwirkung von Atomen und Molekülen.
Die Spektroskopie der Stoßverbreiterung von Spektrallinien von Atomen und Molekülen greift direkt in den Stoßprozeß ein.
Während eines Stoßprozesses wird Licht von Stoßpaar absorbiert oder ausgesendet, durch den Stoß wird der Wellenlängenbereich der Absorption oder Emission verbreitert.

Solche Untersuchungen finden vorwiegend an statistischen Ensembles statt, so daß das Ergebnis eine Mittelung über viele Freiheitsgrade ist und somit wieder nur sehr indirekte und undifferenzierte Informationen über den eigentlichen Stoßprozeß liefert.

Weitere in der Literatur übliche Bezeichnungen für diese Gruppe von verwandten Experimenten sind zum Beispiel optische Stöße, Linienflügelanregung, Laser- oder Photoneninduzierte Atom-Atom- oder Atom-Molekül-Stoßprozesse, Druckverbreiterung von Spektrallinien, optische Anregung von atomaren Stoßpaaren.

Optische Stöße werden seit etwa den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts erfolgreich zur Untersuchung von Molekülpotentialen und nichtadiabatischen Wechselwirkungen angewendet. Die Untersuchungen finden an statistischen Ensembles in Gaszellenexperimenten statt. Seit dem letzten Jahrzehnt des vorherigen Jahrhunderts gibt es auch Experimente oder Überlegungen zu Experimenten in lasergekühlten statistischen Ensembles oder Bose-Einstein-Kondensaten.

Eine direkte Beobachtung von atomaren und molekularen Stoßpaaren wird erst durch eine Kombination beider Methoden ermöglicht. Das wird im hier beschriebenen Experiment realisiert. Es werden thermische Stöße in einem Experiment mit gekreuzten Teilchenstrahlen und einem differentiellen Nachweis des angeregten Stoßproduktes am Beispiel von Alkali-Edelgas- und Alkali-Molekül-Stößen untersucht.

Was wird benötigt?

experimenteller Aufbau

Um genau einen Stoß zu beobachten, findet das Experiment (Prinzipskizze siehe Bild) in einer Hochvakuumapparatur statt. Die Dichte der Atmosphäre in so einen Hochvakuum wird mit Pumpen auf etwa ein Milliardstel unserer normalen Umgebung reduziert.

Die Atome wiederum, die miteinander Stoßen sollen, werden in Atomstrahlquellen extra dafür bereitgestellt.

Dargestellt sind auf dem Bild die beiden Atomstrahlquellen Natrium-Ofen und Edelgas-Düse, aus denen die Atome in genau einer Richtung (durch Blenden, Skimmer begrenzt) entweichen.

Zum Beobachten oder Photographieren braucht man außerdem Licht. Dieses wird mit dem Anregungslaser angeboten. Um etwas unter einem bestimmten Streuwinkel zu sehen, gibt es einen drehbaren Detektor zum Nachweis der Atome (samt einem Nachweislaser).

Außerdem sind noch Optik für die Laser und Computer zur automatischen Durchführung des Experimentes erforderlich.

Die Richtungen der Atomstrahlen und die Position des Detektors legen die Flugbahnen der Atome vor und nach dem Stoß fest. Auch die Geschwindigkeiten der Atome sind durch experimentelle Tricks festgelegt.

Optischer Stoß

Optischer Stoß Optischer Stoß

In der Animation ist ein optischer Stoß des Stoßpaares Na+Ne im Schwerpunktsystem dargestellt. Es wird ein klassisches Modell mit einer Trajektorie (Bahnkurve) für den Abstandsvektor der beiden Atome voneinander verwendet.

Der Stoß läßt sich nun so beschreiben, daß das Neon-Atom an einem Punkt festgehalten wird und das Natrium-Atom im Grundzustand von links einläuft (Pfeil).
Atome können nur Licht aus bestimmten, engen Wellenlängenbereichen absorbieren. Das wird dann (resonante) Anregung genannt. Durch die Absorption des Lichtes macht das Atom einen Übergang in einen anderen (angeregten) Zustand.

Mit einem Laser, der senkrecht zur Zeichenebene eingestrahlt wird, wird Licht angeboten, welches weder für Natrium noch für Neon alleine resonant ist, jedoch in der Nähe des Überganges des Natriums vom Grundzustand in den ersten angeregten Zustand liegt.

Bei kleinen Abständen des Natriums zum Neon ändert sich durch die Wechselwirkung der Atome untereinander der Wellenlängenbereich etwas, bei dem angeregt werden kann. Bei einem bestimmten Abstand der Atome kann Licht der angebotenen Wellenlänge absorbiert werden. Dieser Abstand wird Condonradiusgenannt. Der Schnittpunkt der Trajektorie mit dem Kreis mit dem Condonradius als Radius ergibt den Ort der möglichen Anregung. Das Natrium kann also während des Stoßes angeregt werden.

Im Gegensatz zum kugelsymmetrischen Grundzustand hat der angeregte Zustand eine andere Form, welche ausgerichtet ist. Ausrichtung und Form können direkt gemessen werden (Meßpunkte, zweites Bild).

Im dargestellten Beispiel steht der angeregte Zustand in Richtung der Kernverbindungsachse - Ausrichtung und Kernverbindungsachse für den Moment der Anregung sind direkt aus den Meßpunkten zu entnehmen.

Nach der Anregung läuft das Natrium-Atom in Pfeil-Richtung nach rechts aus. Die Ausrichtung des angeregten Zustandes dreht sich bei kleinen Abständen noch weiter mit in Richtung der Kernverbindungsachse, bleibt dann jedoch stehen.

Die Zeitentwicklung des angeregten Zustandes nach der Anregung führt außerdem zu einer Veränderung seiner Form.

Der dargestellte Kasten hat eine Kantenlänge von 20 Bohrschen Radien oder etwas mehr als 10-9 m (ein millionstel Millimeter). Die Relativgeschwindigkeit der beiden Atome ist etwa 1200 m/s. Der Bereich wird also etwa in einer Pikosekunde durchquert (10-12 s also der millionste Teil einer millionstel Sekunde).

Laseranregung von Stoßpaaren

Labor

Im Experimenten wird in atomare Stoßprozesse direkt eingegriffen, um atomare Stoßvorgänge direkt zu beobachten. Das ist schwierig, denn das Untersuchungsobjekt ist klein (10-10 m) und kurzlebig (10-12 s).

Manipulation und Beobachtung erfolgen durch Laseranregung des Stoßpaares.
Dazu sind zahlreiche experimentelle Möglichkeiten vorhanden. Details atomarer Vorgänge können so sichtbar gemacht werden, die mit klassischen Experimenten nicht oder nur indirekt zugänglich sind.

Mikroskopische Atominterferometer

Atominterferometer
Winkelverteilung der Stoßprodukte:
Experimentelle Daten mit Fehlerbalken
und eine quantenmechanisch berechnete Verteilung.

Atomare Stoßpaare bilden ein mikroskopisches Interferometer, analog zum optischen Michelson-Interferometer. Ein Laser, der das System während des Stoßes anregt, übernimmt die Rolle des Strahlteilers. Das Interferometer ist (mit Hilfe der Laserpolarisation) beliebig durchstimmbar. Das Interferenzmuster enthält Informationen über die Wechselwirkung der Stoßpartner.

Photographie des Stoßvorganges

Geometrie des Stoßpaares
Die linke Spalte zeigt die Signalintensität als Funktion der Laserpolarisation;
die Balken zeigen die größten und kleinsten Intensitäten.
In der rechten Spalte sind die möglichen Bahnen dargestellt,
auf denen die Stoßpartner aneinander vorbei laufen und die Orte,
an denen der optische Übergang stattfindet (Condonpunkte).
Das Meßergebnis zeigt, ähnlich wie eine unscharfe Photographie,
die räumliche Lage der Condonpunkte

Durch Anregung von Stoßpaaren während des Zusammenstoßes durch Laserlicht können mit Polarisationsexperimenten geometrische Strukturen des Stoßvorganges sichtbar gemacht werden. Auf diese Art können nicht nur atomare Zusammenstöße, sondern auch schnelle molekulare Vorgänge studiert werden, bis hin zu chemischen Reaktionen.

Außerdem gibt es mit Kurzpulslasern (Femtosekunden) eine Möglichkeit, einen Stoß zu filmen, was zumindest ansatzweise experimentell geprüft wurde.

Kohärente Kontrolle

kohärente Kontrolle eines Wirkungsquerschnitts
Kohärente Kontrolle eines Wirkungsquerschnitts

Es gibt einfache Möglichkeiten, in Stöße von außen her einzugreifen und dadurch den Ablauf und das Ergebnis des Stoßes zu bestimmen.

Zum Beispiel ist es möglich, durch Wahl der Polarisationsrichtung des Lasers eine Bahn (siehe oben) abzuschalten. Wie beim optischen Interferometer verschwinden dann die Interferenzstrukturen.

Das Beispiel im Bild zeigt eine Meßserie für das Stoßpaar Na-Ne mit verschieden elliptisch polarisiertem Licht (rote Ellipse im Trajektorienbild rechts neben dem jeweiligen Querschnitt links). Die Polarisationen wurden so gewählt, daß von Einstellung zu Einstellung die Phase im Streuquerschnitt jeweils um den gleichen Wert verschoben wurde. So ist experimentell verifiziert worden, daß mit dem externen Parameter Polarisation des Lichtes der differentielle Querschnitt von außen vollständig kontrollierbar ist.

Beobachtung nichtadiabatischer Vorgänge

Feinstruktur
Feinstrukturverhältnis bei zwei verschiedenen Stoßpaaren

Wenn ein Stoßsystem in einen einzigen, wohldefinierten elektronischen Zustand angeregt wird, befindet sich das Stoßsystem nach dem Stoß in der Regel dennoch in verschiedenen elektronische Zuständen. Dies erlaubt Rückschlüsse auf die Wechselwirkungen und die Übergänge zwischen elektronischen Zuständen (nichtadiabatische Prozesse).

Mehr Details

Mehr Details gibt es extern auf einer anderen Seite von mir: Optische Anregung von Stoßpaaren